Singen gehört zur Natur des Menschen und hat eine enorme Kraft. Jeder Mensch hat eine einzigartige, unverwechselbare Stimme, die seinen innersten Kern ausdrückt: Seine Trauer, seine Freude, seine Wut – alles, was da ist. Die Stimme ist für mich die direkte Verbindung zur Seele. Das macht die Arbeit mit Stimme und Gesang für mich so faszinierend.
Heute wird das Singen in unseren Breiten vielfach nur noch den Profis überlassen, und die vermeintlich untalentierte Mehrheit begnügt sich mit dem Zuhören. Man singt vielleicht unter der Dusche, beim Staubsaugen, beim Keller-Aufräumen, aber kaum dort, wo einen jemand hören könnte. Viele Menschen haben als Kinder schlechte Erfahrungen mit dem Singen gemacht, wenn ein Lehrer oder ein Familienmitglied geurteilt hat: „Du kannst nicht singen“. Gerade in Deutschland kommt erschwerend hinzu, dass es durch die Instrumentalisierung des Singens für die menschenverachtende Nazi-Ideologie bis heute ein gewisses Grund-Misstrauen dem Singen gegenüber zu geben scheint – ganz zu schweigen vom Singen von Volksliedern.
Mir ist es ein Herzensanliegen, Menschen egal welchen Alters und egal aus welcher Kultur (wieder) für das Singen zu begeistern. Wir verpassen viel, wenn wir es aufgeben oder nur einigen wenigen „besonders Talentierten“ überlassen – denn es ist mittlerweile wissenschaftlich erwiesen, wie viele positive Auswirkungen Singen auf Körper und Seele hat. Der Musiktherapeut Wolfgang Bossinger zählt einen regelrechten Glücks-Cocktail auf, der dabei im Gehirn produziert wird. Die positiven Wirkungen werden noch verstärkt, wenn wir nicht allein, sondern gemeinsam mit anderen singen.
Der Singforscher und Gründer von Il canto del mondo e.V., Karl Adamek, beschreibt es so: „Singen ist ein Lebenselixier. Singen stärkt nicht nur unsere Lebensfreude und Lernfähigkeit, es hilft uns auch, Aggressionen abzubauen oder tiefe Trauer in neue Lebenskraft zu wandeln. Singen kann die Widerstandsfähigkeit des Menschen bei den Herausforderungen des modernen Lebens kräftigen und trägt dazu bei, dass sich unsere Sozialfähigkeiten entfalten. Denn Singen fördert unsere Fähigkeit, uns selbst und unsere Mitmenschen zu fühlen. Singen ist für die emotionale Bildung des Menschen von unschätzbarem Wert.“1 Eine weitere große Kraft des gemeinsamen Singens liegt darin, dass es eine Verbindung mit dem Göttlichen, dem Universum, unserem höheren Selbst ermöglicht.
Ich lade dich herzlich ein, in einer Singgruppe oder einem Workshop deine eigenen Erfahrungen zu machen.
Vielleicht möchtest du noch wissen: Was unterscheidet eine Singgruppe von einem Chor? Die Hauptunterschiede sind:
- Wir arbeiten nicht auf ein Ziel (einen Auftritt vor Publikum) hin, sondern singen ausschließlich für uns und für den gegenwärtigen Moment.
- Es wird nicht in Stimmlagen (Sopran, Alt, Tenor, Bass) eingeteilt.
- Es wird keine Perfektion angestrebt und es ist nicht wichtig, besonders schön oder „richtig“ zu singen.
- Man muss keine Noten lesen oder vom Blatt singen können.
Es gibt aber auch viele Gemeinsamkeiten mit dem Singen im Chor, z.B. die Freude am Gemeinschaftserlebnis oder das Glücksgefühl, wenn man sich bei einem „himmlischen Klang“ für einen Moment mit allem eins fühlt.
Ich freue mich, von dir zu hören! 😊
- Bossinger, Wolfgang (2006): Die heilende Kraft des Singens. Von den Ursprüngen bis zu modernen Erkenntnissen über die soziale und gesundheitsfördernde Wirkung von Gesang. 2. Aufl. Battweiler: Traumzeit-Verlag. S. 15, 65. ↩︎